Streiflichter auf die Baugeschichte
Im Jahr 1913, als das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig eingeweiht und die Ozonschicht entdeckt wurde, der Inder Rabindranath Tagore, Philosoph der Einheit von Gott, Mensch und Natur, den Nobelpreis erhielt, wurde am 12.September die Hoffnungskirche zu Berlin-Pankow eingeweiht. Ihre Architekten Walter Koeppen und K. Stark hatten sich in einer Ausschreibung gegen den Geheimen Hofbaurat Otto Kuhlmann durchgesetzt und den zweiten Preis errungen. Die Überraschung war perfekt, als sich am 10.12. 1910 auf Vorschlag des Gemeindekirchenrates die Gemeindevertretung der Kirchengemeinde Pankow einstimmig(!) für das Architektenteam Koeppen und Stark mit ihrer Jugendstilkirche entschied und nicht die von der Jury auf den ersten Platz gesetzten, favorisierten Architekten Jürgensen und Bachmann mit einer neugotischen Kirche haben wollte.
Sie hatten das Wiesbadener Programm von 1890 verinnerlicht, in dem eine Abkehr von einem historisierenden Baustil hin zu kreativen Neuschöpfungen gefordert wurde, die eine wirksame liturgische Beteiligung der Gemeinde ermöglichen sollten. Im Kern war dies eine Abkehr von einem Kirchenraum mit einem Längsschiff hin zu einem quadratischen Kirchenraum. Was 1912/1913 in Berlin-Pankow entstand, war ein künstlerisches Unikat von einer jungen Avantgarde aus Architektur und Bildender Kunst. Ihr Werk, das Innere des Kirchenraumes, blieb bis 1962 erhalten.
1962 beschloss der Gemeindekirchenrat eine „Restaurierung bei Aufstellung eines neuen Altares und einer neuen Kanzel“. Die sich daran anschließenden Arbeiten bestanden von 1962-1964 allerdings entgegen dem Votum des Kirchlichen Bauamtes und des Einspruches der Denkmalpflege in einer Entfernung nahezu aller Jugendstilornamente in der Kirche. Der Kanzelaltar wurde entfernt, die Malereien und Fresken abgewaschen, die Rosetten und Engelsköpfe aus Stuck wurden beseitigt, die Lampen mit ihren gekröpften Glasschirmen auf den Müll geworfen. An die Stelle der Jugendstilfarben trat ein einheitlicher, grüner Anstrich, der Fußboden wurde mit Linoleum ausgelegt.
An der Altarwand hing nunmehr eine Christusskulptur von Hans Perathoner. Sie war aus dem Keller der St. Hedwigs-Kathedrale geholt worden, nachdem sie auf Anordnung des Päpstlichen Nuntius, Erzbischof Orsenigo, aus der St. Martinskirche in Kaulsdorf wegen ihres umstrittenen Aussehens abgenommen werden musste.
Ab 1976 wurde die Kirche nicht mehr benutzt, verfiel mehr und mehr. Versammlungsort der Gemeinde war die Brauthalle, in der ebenfalls 1962 alle Ornamente entfernt wurden. Sie hieß jetzt „Kapelle“.
Ab 1975 kam es in der damaligen DDR zu einer Neuausrichtung der staatlichen Wertschätzung historischer Bauten. 1975 begann der Wiederaufbau des Berliner Domes. 1979-1984 wurde das Berliner Konzerthaus in engster Anlehnung an seine ursprüngliche Fassung als „Schauspielhaus“ neu errichtet. Der Chefarchitekt der DDR, Manfred Prasser, kreierte zusätzlich den „Gendarmenmarkt“ im sogenannten „Plattenbaujugendstil“. Der Stadtbezirk Pankow folgte diesem Trend sehr schnell und stellte 1978 die Hoffnungskirche unter Denkmalschutz. 1985 wurde nach erfolgter Sanierung der Turmkuppel allein durch die Gemeinde und ohne staatliche Hilfe eine Restaurierung der Kirche durch den Stadtbezirk Pankow überraschend (und doch nicht) nahegelegt und der Gemeindekirchenrat entsprach dem. Unter der künstlerischen Leitung des Denkmalpflegers Jochen Hass und des Direktors der Kirchlichen Bauamtes, Werner Richter, wurde der Innenraum in bestmöglicher Annäherung an die alte Jugendstilfassung restauriert. Das geschah unter der denkmalpflegerischen Prämisse, dass jede neue Epoche, und sei das noch so schmerzhaft, auf der vorherigen aufzubauen habe, was bedeutete, dass die Neugestaltung des Altarraumes von 1962-1964 nicht beseitigt wurde, sondern erhalten blieb. Das Kruzifix von Perathoner, das ja kein fester Bestandteil des Altarraumes war, hatte freilich abgenommen zu werden.